Informationen zum MDR1-Gendefekt
Vergiftung durch Erbkrankheit? - Der MDR1-Defekt
Wofür steht MDR1?
MDR1 ist eine Abkürzung und steht für die englische Bezeichnung „Multidrug Resistance protein 1“. Es handelt sich hierbei um ein sogenanntes „Transmembranprotein“, da es in der Membran vieler Zellen vorkommt und dort bestimmte Moleküle aus der Zelle ausschleust. MDR1 kommt in vielen Organen aller möglicher Lebewesen vor und spielt dort eine entscheidende Rolle beim Transport von Arzneistoffmolekülen durch den Körper. In Leber und Niere transportiert es so zum Beispiel diese Moleküle aus den Zellen in die Galle oder den Urin und sorgt somit für ihre Ausscheidung aus dem Körper. In anderen Organen wie dem Darm, dem Gehirn oder dem Knochenmark kommt dem MDR1-Protein eine Art „Türsteherfunktion“ zu. Durch das Ausschleusen der Moleküle sorgt es nämlich dafür, nicht zu viel bzw. gar kein Arzneistoff aufgenommen wird.
Bild: Oben gesunder Hund und unten Hund mit MDR1-Defekt.
Wie kann der MDR1 defekt sein?
Ist das MDR1-Protein defekt, liegt die Ursache dafür in dem Gen, welches die notwendige Vorlage für ein Protein darstellt. Alle Gene stellen die wiederholte Aneinanderreihung der 4 Basen Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G) dar. Ist eine Base vertauscht oder gar zu viel bzw. zu wenig, spricht man von einer Mutation. Hier wird es gefährlich, denn ein fehlerhafter genetischer Bauplan kann dazu führen, dass das Protein nicht mehr richtig zusammengesetzt und dadurch funktionsunfähig wird. Fehlen beim Hund an der Position 230 die Basen A, T, A & G bzw. bei der Katze an Position 1930 die Basen T & C, ist das MDR1-Protein defekt.

Woher kommt der MDR1-Defekt?
Die beschriebene Mutation wird von den Eltern an die Nachkommen vererbt. Somit steht von Geburt an fest, ob ein Tier einen MDR1-Defekt hat oder nicht. Außerdem ist es wichtig, zu verstehen, dass es für jedes Gen zwei Varianten (Allele) gibt. Jeder Elternteil vererbt dabei eine Variante. Daraus ergeben sich
3 Möglichkeiten für den MDR1-Status eines Tieres:
-
+/+: Beide Elternteile haben ein intaktes Allel vererbt
-
+/-: Je ein Elternteil hat ein intaktes bzw. defektes Allel vererbt
-
-/-: Beide Elternteile haben ein defektes Allel vererbt
Betroffen vom MDR1-Defekt sind immer Tiere mit dem Genstatus -/-. Bei einem Tier mit dem Genstatus +/- können ebenfalls Beeinträchtigungen auftreten.
In jedem Fall besteht jedoch die Gefahr, dass diese Tiere die Mutation an ihre Nachkommen vererben. Daher sollten Tiere mit dem Genstatus -/- und +/- nicht zur Zucht eingesetzt werden. Bei der Zucht von Rassetieren werden oftmals dieselben Individuen miteinander verpaart. Werden hier aus Unwissenheit Tiere eingesetzt, welche Träger des MDR1-Defektes sind, so kommt es über Generationen hinweg zur Häufung des Defektes bei bestimmten Rassen. Für den Hund trifft dies z.B. auf verschiedene Hütehund-Rassen, wie den Collie zu. Aber auch Hunde anderer Rassen, sowie Mischlinge oder auch Katzen können betroffen sein.
Nur ein Gentest kann über den konkreten Status eines Tieres Aufschluss geben.
Was hat das mit Vergiftungen zu tun?
Ist das MDR1-Transportprotein defekt, so können die beschriebenen Aufgaben nicht mehr erfüllt werden und der Körper kann sich somit schlechter vor Fremdmolekülen wie Arzneistoffen schützen. Im Einzelnen bedeutet das:
-
Keine Limitierung bei der Aufnahme aus dem Darm in die Blutbahn
-
Verminderte Ausscheidung über Leber und Niere
-
Kein Schutz von sensiblen Organen, wie Knochenmark und Gehirn
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich bei betroffenen Tieren deutlich höhere Mengen des Arzneistoffes im Körper anreichern als bei gesunden Tieren. Zudem kann der Wirkstoff in Organe eindringen, in denen er Schäden verursacht. Dadurch kann ein Medikament bereits in empfohlener Dosierung toxisch wirken. Typische Symptome sind zentralnervöse Störungen wie Zittern, Taumeln, Müdigkeit bis hin zum Koma sowie Erbrechen. Besonders kritisch für Hunde mit MDR1-Defekt sind Narkose- und Schmerzmittel, die von Tierärzt*innen eingesetzt werden, aber auch Antiparasitika wie Präparate mit dem Wirkstoff Ivermectin. Letztere sind zudem für Tierhalter*innen frei erhältlich, beispielsweise als Spot-on-Lösungen zur Anwendung auf der Haut.
Quellen:
1. https://mdr1-defekt.transmit.de/ (Letzter Zugriff: 15.08.2025)
2. Müller, E. S., & Geyer, J. (2021). Consideration of the MDR1 mutation in dogs for application of anesthetics.
3. Nürnberger, Daniela et al. (2022). Detection of the ABCB11930_1931del TC Mutation in Two Suspected Ivermectin-Sensitive Cats and Their Relatives by a Novel TaqMan Allelic Discrimination Assay.Front Vet Sci. 2022 Feb 21
Häufig betroffene Hunde- und Katzenrassen
Hunde: Collie, Miniature Australian Shepherd, Australian Shepherd, Shetland Sheepdog, English Shepherd, Border Collie, Wäller, Bobtail (Old English Sheepdog), Silken Windsprite (Longhaired Whippet), Silken Windhound, McNab, Berger Blanc Suisse (Weißer Schäferhund), Deutscher Schäferhund, Hütehundmischling
Katzen: Main Coon, Siamkatze, Ragdoll, Russisch Blau, Balinesenkatze, Türkisch Angora

Kritische Arzneistoffe
Antiparasitika: Ivermectin, Eprinomectin (nur Katze), Doramectin, Moxidectin (Überdosierung oder orale Anwendung), Milbemycinoxim (Überdosierung), Emodepsid (Überdosierung, nicht-nüchtern Verabreichung)
Antimykotika: Itraconazol, Ketoconazol
Antibiotika: Erythromycin, Doxycyclin, Levofloxacin, Rifampicin
Glucocorticoide: Dexamethason, Prednisolon
Immunsuppressiva: Tacrolismus, Ciclosporin A
Zytostatika: Vincristin, Vinblastin, Doxorubicin, Paclitaxel, Dactinomycin, Etoposid, Mitoxantron
Säuresekretionshemmer: Cimetidin, Famotidin
Antiemetika: Ondansetron, Domperidon, Metoclopramid
Herz-Kreislauf-Therapeutika: Digoxin, Amiodaron, Diltiazem, Verapamil
Opioide: Loperamid, Butorphanol, Apomorphin, Morphin, (Levo)-Methadon, (Nor)-Buprenorphin,
Fentanyl, Alfentanil, Pentazocin, Pethidin
Neuroleptika: Acepromazin
Antiepileptika: Phenobarbital, Phenytoin, Levetiracetam